Woher wissen Sie das?
Axel Bojanowski
Die vielleicht beste Frage hörte neulich ich nach einem Vortrag in Mannheim, sie kam von einer Sechsjährigen: „Woher wissen Sie das?“, rief sie aus der sechsten Reihe in Richtung Bühne. Welch gute Frage! Auf Pressekonferenzen hört man sie eher selten, Journalisten erkundigen sich bei Wissenschaftlern meist nicht nach Grundlagen, sondern eher über Ergebnisse und Folgerungen.
Das erklärt vielleicht, warum sich Berichte aus Forschung und Technik in den Medien so häufig als feststehende Erkenntnis lesen, aber nicht als Ideen, Entdeckungen oder Indizien, um die es sich genau genommen meist handelt. Erst die magische Kinderfrage „Woher wissen Sie das?“ öffnet den Blick für die faszinierende Arbeit der Wissenschaftler.
Wissenschaftler schwärmen allerdings selten von ihrer Arbeit. Dabei hätten zumindest Geoforscher allen Grund dazu: Sie sind die einzigen Menschen, die Riesenwasserfällen im Ozean auf der Spur sind. Sie verfolgen Felsen, die wie von Geisterhand bewegt durch die Wüste streunen. Sie haben das Orakel von Delphi entschlüsselt. Sie bezeugen die Entstehung eines neuen Ozeans in der Wüste. Sie entdecken spektakuläre Landschaften mit bizarren Urzeitwesen, die längst untergegangen sind.
In jeder Universität, jedem Forschungsinstitut, ja im Grunde in jedem Labor verstecken sich leuchtende Geschichten über den Planeten Erde. Man sollte annehmen, die Medien wären voll mit solchen Storys. Das sind sie nicht, denn in Redaktionen hält sich eine kuriose Rechtfertigung für komplizierte Texte: Der Leser verlange nach kniffliger Sprache, um eine Herausforderung meistern zu können – komplizierte Sprache markiere den Unterschied zu Boulevardmedien, heißt es oft.
Ein Vorteil dieser Haltung ist, dass man sich damit erfolgreich durch Verständnislücken mogeln kann. Der Nachteil: Viele faszinierende Ergebnisse aus der Wissenschaft erreichen die Öffentlichkeit bestenfalls in verklausulierter Form – aus Sehen und Staunen wird Gaffen und Gähnen.#
Auch Wissenschaftler, jedenfalls in Deutschland, verlieren sich mit ihrer Liebe zur Verklausulierung leider allzu oft in einer Art Erhabenheitskitsch – Unverständlichkeit wird mit Klugheit gleichgesetzt. Der Chemie-Nobelpreisträger Irving Langmuir bezweifelte gar die Glaubwürdigkeit von Experten, die ihre Ergebnisse nicht verständlich erklärten: “Wer es nicht schafft, seine Arbeit einem 40-Jährigen zu erläutern, ist ein Scharlatan”, mahnte er.
In meinen Mulitmedia-Vorträgen versuche ich die Schichten aus Wort- und Zahlengerümpel abzutragen, die Goldadern der Forschung freizulegen, damit sie tatsächlich auch durchscheinen. Begleitet von Filmen und Animationen gehe ich aber auch der Frage nach, warum Medien und Wissenschaft so oft an den großen Rätseln der Erde scheitern.
Wobei wiederum ich mitunter scheitere – wie im Gespräch mit der klugen Sechsjährigen bei meinem Vortrag in Mannheim: Das Mädchen schien nicht ganz zufrieden mit meiner Antwort. Sie sagte, sie würde mich dann mal anrufen.