KI und die Zukunft der Arbeit

von Steffi Burkhart

KI – Touchpoints im Business und täglichen Leben: Personalisierte Newsletter, Spracherkennungssysteme wie Siri, Alexa oder Google Duplex, Standortdaten des Smartphones, Kaufempfehlungen bei Amazon, Kaufvorhersagen, dynamische Preisoptimierungen, Kundensupport, Chatbos, Autopiloten in kommerziellen Airlines, automatisiertes Marketing in Social Media, Datenanalysen und Kundensegmentierung, Spam-Filter, automatisierte Antworten, Diagnosen im Medizinbereich, Textprogramme im Journalismus, Überprüfung von Verträgen im Rahmen von Due Diligence, Sport- und Gesundheits-Apps, überall wo Geräte sich miteinander vernetzten (IoT) -> dazu benötigt es allerdings das 5G Netz (!), Wettervorhersage, Personalsuche im HR, Preisberechnung von Hotelraten im Internet – um nur ein paar Beispiel zu nennen, wo uns KI bereits alltäglich begegnet. Tendenz stark steigend.

KI & Demografie: Eine der größten Wachstumshürden für Unternehmen bis zum Jahr 2030 wird der Mangel an qualifiziertem Personal und Talenten sein. Vor allen Dingen aus den Millennials Generationen (Generation Y (*1980 – 1995), Generation Z (*1995 – 2010)) Großer Treiber hierfür ist die Demographische Entwicklung – dass das Thema in meinem letzten Newsletter war.

Heute haben die meisten Unternehmen damit zu kämpfen, ihre sehr gute Auftragslage vernünftig abzuwickeln. Häufige Begründung: Personalmangel. Gleichzeitig allerdings tun Unternehmen derzeit wenig, um ihre Mitarbeiter vernünftig weiter zu qualifizieren, dem Management Leadership-Skills beizubringen und junge Menschen in Unternehmen vernünftige mehrdimensionale Karrieremöglichkeiten aufzuzeigen.

Viele HR Abteilungen und Geschäftsführer brüsten sich damit, dass sie auf einfache digitale Anwender Jobs 100te von Bewerbungen erhalten, um Stakeholder und den Markt in die Irre zu führen. Besonders kleinere Digitalbuden und Pseudo-Startups schaffen einen Graumarkt, in welchem junge Menschen durch Karrierechancen geblendet werden, die es tatsächlich aber nicht gibt. In der ersten KI-Welle, die 2019/2020 beginnen wird, werden über 90 Prozent dieser „Pseudo-Digital-Jobs“ wegfallen. Für den Aufbau eines Sales-Funnels werden keine 20 Duale Studenten benötigt, sondern EIN qualifizierter KI-Experte. Diesen einen KI-Experten zu finden, DAS ist die Leistung des Unternehmens und von HR. Qualität schlägt Quantität!

Hinzu kommt, dass derzeit noch viele gut ausgebildete Erwerbstätige in veralteten Jobprofilen stecken, ohne Aussicht auf Weiterqualifizierung – insbesondere im Digitalbereich. So wird bspw. der Job des Bibliothekars komplett verschwinden. Auch der Einsatz von Robotik in den Apotheken wird dazu führen, dass es den Beruf des Pharmazeutisch technischen Assistenten (PTA) nicht mehr geben wird. Der Beruf des Busfahrers verschwindet genauso wie der des Straßenbahnfahrers, komplett. Klassische HR Aufgaben werden in Zukunft von KI übernommen – hier verpennt fast eine ganze Branche die Transformation.

Das weltweite Wirtschaftswachstum hat sich in den letzten 2 Jahren massiv verlangsamt. Neben der Rekrutierung und Bindung von Talenten wird der Einsatz von KI ein wichtiger positiver Treiber für das Wirtschaftswachstum werden. Erste Studien zeigen 3 Dinge ganz klar: 1. Die Mitarbeiterzufriedenheit steigt signifikant an, wenn Mitarbeiter KI in ihrem Arbeitsbereich einsetzen können. 2. Unternehmen werden durch den Einsatz von KI produktiver und wachsen schneller (!). 3. Es sind die Millennials, also die Digital Natives, die KI in ihren Workflow spielerisch einsetzen und dabei bessere Ergebnisse erzielen als ältere Generationen.

Anpassung & Integration: Die Akzeptanz / Anpassung / Integration von KI- und Automatisierungstechnologie ist in Ländern und Branchen unterschiedlich ausgeprägt. Unter den Ländern rangieren 2018 die US-Investitionen in KI mit 50 Milliarden Dollar an erster Stelle, gefolgt von den asiatischen Investitionen von ca. 25 Milliarden Dollar. (Nicht mit eingerechnet sind KI-Investitionen im Militär und Nachrichtendienst.) Europa hinkt mit 8 Milliarden Euro hinterher.

In Deutschland ist der Hotspot für KI das Brain-Valley – auch digitales Dreieck genannt, welches sich gerade im Südwesten formiert. Saarbrücken und Karlsruhe sind hier die beiden Spitzenstädte. Danach kommen zwei deutsche Provinzstädte: Darmstadt und Kaiserslautern. Wobei es diesen Zentren 1. an konsumentennahen Anwendungen mangelt, 2. Wagniskapital, 3. Ausgründungen, und 4. Kooperations-bereitschaft mit Old-Economy Unternehmen, obwohl sie massiv durch unsere Steuergelder gefördert werden. Elon Musks Formel „Talent multipliziert mit Tatkraft multipliziert mit Chancen“ ist das, was das Silicon Valley groß gemacht hat. Uns in Deutschland fehlt es vor allen Dingen an Chancen und Tatkraft.

Lernfähige Maschinen führen nicht nur Befehle aus, sie lösen komplexe Probleme und treffen am Ende bessere Entscheidungen als der Mensch. Mit der KI könnten wir heute schon fast 80 Prozent aller Arbeiten erledigen, die wir tun.

Vor allen Dingen Geschäftsmodelle werden sich dramatisch verändern, indem sie in Zukunft mehrdimensional stattfinden und eine wesentlich höhere Vernetztheit erfordern. Alles Eigenschaften, die klassische Unternehmen heute noch nicht mitbringen. Dafür braucht es Top-Talente, Querdenker und Menschen, die Time to Market Applikationen von Produkten und Dienstleistungen drastisch verkürzen.

Das deutsche KI Valley ist viel zu IT-lastig und die Player wie Software AG, SAP, Fraunhofer und andere, greifen fast 80 Prozent der Fördergelder ab, ohne relevante Ergebnisse für den Mittelstand, den Markt, Anwender, Verbände und Konsumenten, zu liefern.

Selbst Ihre Spin-Offs performen derzeit sehr mittelmäßig. Es liegt wahrscheinlich auch daran, dass in den Lehrplänen der meist Informatik, Elektrotechnik oder Naturwissenschaften studierten Gründern, Entrepreneurship-, Leadership- und Finance-Knowhow nicht zu den Lernzielen gehörte. Das ist meines Erachtens die größte Differenzierung zwischen dem Silicon Valley, dem KI-Hub Paris und New York und uns. So etwas würde sich schlagartig ändern, wenn man Professoren nicht mehr verbeamten würde und das förderale Bildungs-KleinKlein und die Zersplitterung im deutschen Bildungs- und Universitätsbereich aufbrechen würde.

Mindset Shift von Unternehmen: Ein Schlüssel zum zukünftigen Erfolg von Unternehmen wird darin bestehen, kontinuierliche Lernoptionen anzubieten und eine Kultur des lebenslangen Lernens in der gesamten Organisation zu verankern. Die Lernbereitschaft sowie der Lernwille so einiger Mitarbeiter, sich aus der eigenen Komfortzone zu bewegen, ist auf einem Tiefstand angekommen. Gleichwohl gibt es einige Top-Performer, die das Zeug mitbringen, diesen dringenden Transformationprozess mitzubegleiten. Hier gilt es, dass HR diese identifiziert und durch 1. Intrapreneuship Maßnahmen, 2. Spin-offs, 3. Experimentierräume, 4. Leadership- und Acceleration-Programme, stärkt und fordert.

Eine weitere dringende Maßnahme ist die Veränderung der Organisationsform. In einem höchst dynamischen Umfeld wie diesem, wird das langsame Unternehmen vom schnellen Unternehmen überrannt. Nicht die Größe des Unternehmens ist entscheidend, sondern die Schnelligkeit. Schnelligkeit wird hier bspw. durch eine Netzwerkorganisation erzeugt. Damit sind klassisch hierarchische Strukturen längst Überbleibsel des Industriezeitalters. Netzwerk versus Hierarchie.

Ein persönliches Positivbeispiel von mir, ist die Axel Springer AG, die im Rahmen ihrer Digitalen Transformation eine ganze Learning-Kampagne „move“ auf die Beine gestellt haben. Dazu gehörten in einem Jahr 71 Veranstaltungen im Bereich Lern- und Dialogformate, Vorträge, Fachkonferenzen, Workshops etc., 12 Formate – von Pizza CONNECTion über Early Bird Café bis hin zu best practice Club und Buzzword Decoder. Mit ihren Veranstaltungen und Formaten konnte Axel Springer 5300 Teilnahmen erreichen.

Tipps für Unternehmen aller Größen:

1. Retraining: Die Skills der Belegschaft auf zukunftsrelevante Fähigkeiten anpassen. Mögliche Ansätze sind: Eine interne Lernkultur aufbauen. Talente einstellen, die diese zukunftsrelevanten Fähigkeiten vermitteln können. Prüfen, welche Mitarbeiter bereits über neue Fähigkeiten verfügen und diese als KI-Pilots einsetzen (basierend auf dem Change-Agent Konzept von Prof. John Kotter). Und / oder mit externen Bildungseinrichtungen zusammenarbeiten, gemeinsame Lehrstühle entwickeln und Mitarbeiter extern schulen lassen.

2. Employee Tech & Play: Unternehmen müssen dringend ihren Mitarbeitern nichtökonomisierte Räume schaffen, in denen Technologien und Tech-Gadgets (bspw. Drohnen, Roboter, Augmented Reality, Virtual Reality) ausprobiert werden können, um zukünftige Anwendungsfelder für Lernprozesse, Produktverbesserungen usw., spielerisch zu identifizieren. So wird der Mitarbeiter zum Co-Creator und kommt in den Mindset der Kreativität und Technologie-Affinität.

3. Redeployment: Jobprofile neu entwickeln und zukunftsfähigen Fähigkeiten anpassen. Dadurch kann es möglich sein, dass sich bisherige Jobprofile so verändern, dass Mitarbeiter neuen Jobs zugeordnet werden. Bspw. wissen wir, dass sich durch KI und Digitalisierung der Verkäufer-Job sich stark verändern wird. Kunden sind heute deutlich mehr vorinformiert, wenn sie einen Store betreten; wir bewegen uns hin in Richtung Segment of One statt Zielgruppen zu definieren; Menschen wollen nicht mehr mit dem Gefühl konfrontiert werden, etwas kaufen zu müssen bzw. etwas verkauft zu bekommen. Verkauf auf der Fläche wird sich dadurch in mehrere Jobprofile aufsplittern, weil der moderne Kunde andere Ansprüche stellt. Das setzt neue Fähigkeiten voraus und es wird wichtig sein, zu prüfen, welche Mitarbeiter über welche Fähigkeiten verfügen, die zukunftsrelevant sind und möglicherweise neu kombiniert werden können.

4. Hiring: Talente oder ganze Teams einstellen, die über zukunftsfähige Fähigkeiten verfügen. Wobei das eine Strategie sein wird, die immer schwieriger und zunehmend teuer wird. Angebot und Nachfrage an Digitalen Könnern ist jetzt schon im Ungleichgewicht und wird weiter steigen. Hinzu kommt, dass all die Tech-Giganten oder Unternehmen wie Bosch und SAP all die Digitalen Könner vom Markt – für viel Geld, aufkaufen, um ihre IT-Vormachtstellung weiter auszubauen.